AKTION - "Running for Kids -Leichtathleten helfen behinderten Kindern"

Begegnungen


Bei der Site "Begegnungen" hatte ich eigentlich daran gedacht, über besondere Menschen zu berichten. Angesichts der schrecklichen Ereignisse, am 11. September 2001 in New York, möchte ich hier einen Bericht meiner Frau Doris aus dem Jahr 1989 vorstellen, den sie für eine Mitarbeiter-Zeitung ihres Arbeitgebers geschrieben hatte. Es war für uns schon eine besondere "Begegnung", das Erleben der Stadt

New York

Irgendwann einmal wünscht sich jeder trainierte Läufer, am New York City-Marathon teilzunehmen. Zuviel hat man schon von diesem Laufereignis gehört. So entschloß ich mich im Frühjahr 1989, zusammen mit meinem Mann, sowie acht weiteren befreundeten Sportlern aus dem Raum Düren, am 20. New York Marathon, der am 5.11.89 stattfinden sollte, mitzulaufen. Nachdem ich schon für den Sparkassen-Halbmarathon, der am 23. September 1989 stattfinden sollte, im Langstreckentraining war, wobei ich zwischen 30 - 60 Kilometer pro Woche zurücklegte, bot sich die erlaufene Kondition, belegt durch einen 5. Platz in meiner Altersklasse beim Sparkassenlauf am Essener Baldeneysee an, meinen dritten Marathonlauf zu absolvieren.

Bereits einige Tage vor dem Marathon-Start flogen wir nach New York. Dies war schon wegen der Aklimatisierung außerordentlich wichtig. Bereits auf der Fahrt vom John-F.-Kennedy Flughafen zu unserem Hotel in Manhattan, begrüßte uns die atemberaubende, mittlerweile abendlich beleuchtete Kulisse von Manhattan.

Es folgten Tage der Stadterkundung, für uns Europäer ergaben sich unglaubliche Erkenntnisse. Hier unvorstellbarer Reichtum und Luxus, zum Ausdruck gebracht durch Prachtbauten, teuerste Geschäfte und vieles andere mehr, auf der anderen Straßenseite gegenüber begegnet man bereits bitterster, nie gesehener Armut.

Da der New York Marathon alljährlich ca. 60.000 Läufer anzieht, die Streckenkapazität dies jedoch nicht verkraften würde, werden den nichtamerikanischen Läufern ca. 10.000 Startplätze reserviert. Weitere ca. 15.000 Startplätze werden unter den amerikanischen Laufintereressenten ausgelost. Es gibt einen direkten Schwarzmarkt für die Startnummern! Aufgrund dieser Heerscharen ist bereits das Abholen der Startunterlagen ein zeitintensives Zeremoniell - Geduld ist angesagt !

Am Samstagmorgen, einem sonnigem, bitterkalten Wintermorgen, treffen sich die nichtamerikanischen Marathonteilnehmer, als Einstimmung für den am Tag darauf folgenden Marathonlauf, zum sogenannten Frühstücks-Lauf am Gebäude der Vereinten Nationen. Nach einer stimmungsvollen Begrüßung durch die Verantwortlichen der Stadt New York sowie dem Marathon-Veranstalter, dem "New York Road Runners Club", laufen wir - auf für uns abgesperrten Straßen - ca. 5 Kilometer quer durch Manhattan, bis zum Central Park, wo in einem tollen Gartenrestaurant, der "Tavern on the Green", ein reichhaltiges Frühstück auf die Läufer wartet. Dieser Lauf war kein Wettkampf, hier wurde locker getrabt. Manche Teilnehmer traten in lustigen Kostümen an, es machte Spaß dabei zu sein ! Nach dem Frühstück erhielt jeder Teilnehmer am Frühstücks-Lauf ein Erinnerungs-T-Shirt.

Am Wettkampf-Sonntag heißt es sehr früh aufstehen. Es sollte ein sonniger Tag, mit Temperaturen um 10 ° C werden. Eine hervorragende Organisation sorgt dafür, daß mehr als 25.000 Läufer, von der Staatl. Bücherei, im Herzen von Manhattan, mit einem pausenlos laufenden Bustransfer, wobei 214 Busse ständig im Einsatz waren, in den südlich gelegenen New Yorker Stadtteil Staten Island, wo sich der Marathonstart befindet, gebracht werden. Für die letzten Startvorbereitungen steht uns Teilnehmern ein militärisches Fort zur Verfügung. An alles wurde hier gedacht. Die Trainingssachen können die Läufer kurz vor dem Start in extra bereitgestellten Bussen abgeben, die später zum Ziel zurück fahren, wo wir die wärmenden Sachen nach dem Zieleinlauf wieder in Empfang nehmen können.

Der Start befindet sich am Fuße der längsten Hängebrücke der Welt, der Verrazano-Bridge. Um ein bißchen Chancengleichheit zu gewährleisten, wird der Start in drei parallel zueinanderstehenden Startfeldern erfolgen. Erst nach einigen Kilometern werden sich die drei Felder vereinen. Durch die Startblöcke wird erreicht, daß auch der letzte Läufer bereits nach wenigen Minuten über die Startlinie laufen kann. Kurz vor 10 Uhr konnten wir die Startblöcke aufsuchen. Hier trafen sich nun Sportler aus mehr als 50 Nationen, es herrschte ein internationales Sprachen-Wirrwarr! Eine tolle Atmosphäre! Am Himmel, über dem Starterfeld kreisten mehr als 10 TV-Hubschrauber, alles in allem ein Riesenspektakel.

Um 10 Uhr 48 erfolgt der Startschuß - aus einer Haubitze abgegeben! Endlich ging es nun los, das Warten hatte ein Ende. Gleich vor uns war der Anstieg zum höchsten Punkt der Verrazano-Brücke, der schon nach einer Meile erreicht war, wobei wir bereits ca. 100 (!) Höhenmeter zurückgelegt hatten. Für uns war dies kein Problem, unser Voreifeltraining sollte sich auf der überaus schwierigen Strecke noch bezahlt machen. Anschließend geht es hinunter in den Stadtteil Brooklyn. Hier leben unter anderen mehr als eine halbe Million jüdischer Amerikaner, die das Stadtbild schon durch ihre Kleidung prägen. Wir laufen durch dichte Zuschauermassen, die Kinder strecken uns die Hände entgegen und freuen sich, wenn wir dagegen klatschen. Unterwegs in Brooklyn treffen wir in diesem riesigen Läuferfeld unseren Lauffreund Rolf. So klein ist die Welt, sonst laufen wir oftmals zusammen in Burgau, der Eifel und auch schon einmal andernorts, nun begegnen wir uns hier, "über dem großen Teich"! Etwa 10 Kilometer laufen wir gemeinsam, irgendwo an einer Getränkestation verlieren wir uns jedoch. Rolf wird das Ziel ca. 9 Minuten vor uns erreichen. Wir laufen weiter durch den Stadtteil Queens. Die Charakteristik der Stadtteile ist ganz unterschiedlich. Queens wird die "Schlafstadt" von Manhattan genannt, hier leben viele Angestellte, die ihr Geld im Herzen New Yorks verdienen.

Im dichten Zuschauerspalier streben wir der Halbmarathon-Marke bei Kilometer 21,1 entgegen. Am gesamten Kurs, so lesen wir am darauffolgenden Tag in der Zeitung, sollen 2,5 Millionen Menschen gestanden haben. Als Läufer kann man sagen, daß es ein phantastisches, ehrliches, die Leistung jeden Läufers, würdigendes Publikum war. Weiter geht es, ständig hügelig, der Queensborobrücke entgegen. Diese gigantische, doppelstöckige Brücke verbindet Queens mit dem Zentrum New Yorks, Manhattan. Beim Überlaufen dieser über den East River führenden Brücke bietet sich uns das herrliche Panorama der Sky-Line von Manhattan. Für meinen Mann, der mich begleitet, und mit der Kamera in der Hand läuft, bieten sich imposante Fotomotive. In Manhattan angekommen, mittlerweile haben wir ca. 25 Kilometer hinter uns, geht es ca. 10 Kilometer die geradlinig verlaufende First Avenue entlang. Auch hier feuern uns dichtgedrängt Hunderttausende an. Privatleute reichen uns Getränke, Obst, Bonbons und Kaugummis entgegen. So geht es weiter, immer auf der First Avenue laufend, dem Stadtteil Bronx entgegen. Die Bevölkerung hier zeigt sich uns Läufern gegenüber ausgesprochen freundlich. Ansonsten wird Fremden davon abgeraten, sich in dieser Gegend aufzuhalten ! Es gibt hier offensichtlich ganz erhebliche soziale Probleme. Anschließend durchlaufen wir den Stadtteil Haarlem. Auch hier laufen wir durch dichtes Zuschauerspalier. Die zumeist Farbigen zeigen sich temperamentvoll, es wird getanzt und gelacht. Nachdem wir Haarlem verlassen haben, immer wieder unsere Flüssigkeitsdepots auffüllend, was ungeheuer wichtig ist, würden sich doch sonst Krämpfe einstellen, laufen wir nun dem Central Park, wo sich das Ziel befindet, entgegen. Jetzt befinden wir uns in der Phase, zu der man sagt, erst hier, nach ca. 35 zurückgelegten Kilometern, beginnt der Marathonlauf ! Hier meldet sich bei jedem Läufer, bei dem Schnellsten genauso wie bei dem Langsamen, der Stoffwechsel. Hier werden die Beine schwer, die Muskeln schmerzen. Viele Teilnehmer gehen hier, um nach einer kurzen Erholung wieder weiterzulaufen. Nach einer gewissen Zeit, wenn "der Stoffwechsel umgeschaltet hat", fällt das Vorwärtskommen wieder leichter. Ich überwinde diesen Punkt sehr gut und kann im Schlußteil sogar noch einmal zulegen. Darüber bin ich selbst überrascht, ähnelt doch die Strecke im Central Park unserer Trainingsstrecke in Burgau, es geht ständig hügelig rauf und runter. In der Endphase eines Marathonlaufes ist dies nicht jedermanns Sache.

Die Zuschauermassen werden immer dichter, je näher wir dem Ziel entgegen laufen. Wir werden angefeuert mit Rufen wie "You are the best, You do it, You`re looking good, You make a good job"! Dann erreichen wir die letzte Meile, nun tut nichts mehr weh, der Jubel wird in den Häuserschluchten, die den Central Park einrahmen, zum Orkan. Ich forciere noch einmal und erreiche das Ziel in guter Verfassung, im ersten Drittel des Frauenfeldes in der Zeit von 4 Stunden 13 Minuten und 38 Sekunden.

Als ich die Medaille von einer Helferin umgehängt bekomme, bin ich stolz darauf, daß ich es geschafft habe. Meine gelaufene Zeit bedeutet keine neue persönliche Bestzeit, dafür war die Strecke zu schwer, andererseits waren wir nicht nach New York geflogen um Bestzeiten zu laufen - Marathon in New York, wollten wir einfach nur gemeinsam erleben!

Soweit der Bericht meiner Frau über unsere "Begegnung" mit der Stadt New York. Wir denken gerne an die Tage in dieser atemberaubenden Stadt zurück. Um so schlimmer haben uns die schrecklichen Bilder und Berichte vom 11. September 2001 getroffen. Wir sind unendlich traurig!